Baum

Faire Stadt

Startbild - Fahrradstraße im Grünen

Desire Lines

Das Verhalten von Fahrradfahrern ist ein immer wiederkehrender Punkt in der öffentlichen Diskussion; vielfach wird der Masse der Fahrradfahrer anarchisches Verhalten vorgehalten. An einigen Stellen besitzt der Radverkehr bereits einen deutlich über dem jeweiligen städtischen Durchschnitt gelegenen Anteil am Modal Split. Die Steigerung dieses Anteils ist mittlerweile in die politischen Programme vieler Parteien eingeflossen. An dieser Stelle spielt die Frage eine entscheidende Rolle, wie der Verkehrsraum gestaltet werden kann, um die gewünschten Verkehrsströme - insbesondere den Radverkehr - sicher abzuwickeln. Grundlage zur sicheren Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur ist das Wissen um die von den Verkehrsteilnehmern gewünschten Wegebeziehungen und gewählten Fahrwege. Die Beobachtung und Visualisierung ist die Grundlage für weitere Entscheidungen.

Die Art, in der wir unsere Infrastruktur gestalten, gibt im Großen und Ganzen das Verhalten der Verkehrsteilnehmer vor. Doch Fahrradfahrer sind einfallsreich und nutzen ihre eigenen Wege, um (subjektiv überflüssige) Hemmnisse zu vermeiden. Dies führt zu unvorhersagbarem und unerwünschtem Verhalten (z. B. Rotlichtverstößen; Abkürzen über Gehwege). Der übliche behördliche Reflex ist entweder die verstärkte Sanktionierung dieses Verhaltens mit dem Ziel es abzustellen oder ein Eingriff durch bauliche Maßnahmen, um das Verhalten unmöglich zu machen (Bordsteinerhöhungen, Absperrungen, Poller).
Diesen Reflex gilt es zu hinterfragen. Aus dem Schwarm-Verhalten der Fahrradfahrer und deren Interaktion mit dem Straßendesign läßt sich vieles lernen. Durch die stark anwachsende Zahl von Fahrradfahrern zeigt sich vielerorts, dass das Straßendesign nicht mehr ausreichend ist, um die Verkehre sicher, zügig und komfortabel abzuwickeln. Dennoch funktionieren auch veraltete Knotenpunkte weiterhin durch die Kommunikation der Fahrradfahrer untereinander und das daraus erwachsende Teilen neuer Regeln. In seinem Buch "Everything to save, Click here" hat Ewgeni Morozow einen guten Überblick über den daraus erwachsenden Zusatznutzen gegeben: Ziviler Ungehorsam ist ein wichtiges Signal, von dem man lernen kann: "er hat einen sichtbaren Wert; er kann verdeutlichen, dass die zugrunde liegende Vorschrift nicht mit den individuellen Verhaltensmustern und Moralvorstellungen übereinstimmt. Die Spannungen und Irritationen, die an Kreuzungen offenbar werden, sind eine wichtige Quelle zur Einsicht und ein möglicher Antrieb für Veränderung."

In der Langzeitbeobachtung des Verhaltens im Knotenpunkt erhält man aufschlussreiche Informationen über den Bedarf an neuen Funktionalitäten, die den Knotenpunkt (nicht nur) für den Fahrradfahrer angenehmer machen. Differenzen zwischen historisch gewachsener Infrastruktur und neuen Anforderungen durch verändertes Nutzungsverhalten sowie neuere Fahrradtypen lassen sich aufzeigen und geben Ansatzpunkte für Optimierungen in der Infrastruktur. So lässt sich im Ergebnis eine vermehrte Wahl vorhersagbarer Fahrwege und somit eine deutliche Verbesserung der Akzeptanz der Infrastruktur erreichen. In der Summe ergibt sich dadurch eine Erhöhung der Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer, die den Knotenpunkt nutzen.

Studien

Kreuzkamp vor dem Umbau

BOT-002-16/1

Für diese Untersuchung wurde eine Kreuzung in der kreisfreien Stadt Bottrop im nördlichen Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, ausgewählt: An dieser Kreuzung führt die L631 in Nord-Süd-Richtung; nach Osten zweigt die Scharnhölzstraße ab; nach Westen erstreckt sich die Platzfläche des Kreuzkamp, an die sich die Fußgängerzone der Gladbecker Straße anschließt und die Gerichtsstraße von Richtung Norden auf den Platz führt. Für die angrenzende Fußgängerzone liegt ein Baubeschluss zur Neugestaltung auch eines Teilbereichs des Knotenpunktes vor. Die Fußgängerzone (Gladbecker Straße) soll über die Gerichtsstraße hinaus an die Friedrich-Ebert-Straße herangeführt werden. In den Zuläufen zu diesem Knotenpunkt finden sich aktuell verschiedene Führungen des Radverkehrs (Hochbordradwege mit und ohne Benutzungspflicht; gemeinsame Geh- und Radwege; Einbahnstraße mit gegenläufigem Radverkehr sowie die Fußgängerzone mit zeitweiser Freigabe für den Radverkehr).

Der Knotenpunkt besitzt eine Lichtsignalanlage; es gibt in Verlängerung der Fußgängerzone eine gebündelte Querung für Fußgänger und Fahrradfahrer über die L631. Für den Radverkehr ist nur die Ost-West-Richtung uneingeschränkt nutzbar; in West-Ost-Richtung gibt es jeweils nur aus Richtung Norden eine zuführende und ebenfalls in Richtung Norden eine sich anschließende Radverkehrsanlage.
Von der L631 ist aus nördlicher Richtung ein Einbiegen auf den Platz ohne Ampelsignal möglich. Das Verlassen des Platzes ist nur ampelgeregelt über die L631 in Richtung Süden möglich.
Die LSA besitzt eine Umlaufzeit von 90 Sekunden und ist mit dem Straßenzug der L631 zu einer grünen Welle mit 50km/h Progressionsgeschwindigkeit geschaltet. Im Falle des Ausfalls der Lichtsignalanlage hat der Straßenzug der L631 durch Zeichen 306 die Vorfahrt; die Scharnhölzstraße ist durch Zeichen 205 und die Ausfahrt vom Kreuzkamp durch Zeichen 206 untergeordnet.


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